Salar y Salir

Vom Casa de Ciclista in Uyuni haben wir bereits viel gehört: Leere (die Möblierung haben Velöler selbst dabei), zumindest nicht bitterkalte Zimmer, einen schönen Innenhof, Hängematten, eine Küche und super Stimmung. Als wir ankommen, sind wir trotzdem überrascht: Wo sind wir gelandet? In Paris an einem Apéro? Booonjour! 17 französische Ciclistas (unter anderem 2 Familien mit je 2 Kindern) gemütlich am Crêpes vorbereiten, Bier trinken und laut durcheinander plaudern. Ah ja, und ein armer Kolumbianer, der nichts versteht. Auch wenn unser Französisch mittlerweile komplett im Spanischen versunken ist, werden wir herzlich mit Bier und Crêpes überschüttet. Merci beaucoup!

Es stellt sich heraus, dass nicht nur die Zugänge zu Uyuni blockiert sind (siehe letzter Eintrag), sondern ein Generalstreik ausgerufen wurde. Auf unbestimmte Zeit sind alle Läden und Restaurants geschlossen. Die Strassen wie leergefegt. Gemüse kaufen wir nach zwei Tagen wie Drogen: an einer Ecke soll man etwas erhalten, erfahren wir. Leise fragen wir den Mann dort, ob wir was kaufen können: «Verdura? Frutas? Si. Vengan». Ariane wird in ein Haus geführt, während ich unauffällig in der Nähe warte. Mit einem Sack voller Tomaten, Karotten und Kartoffeln schleichen wir glücklich davon. 

Mit Proviant und 7 Franzosen im Gepäck nehmen wir die letzten Kilometer Richtung Salar in Angriff. Asphalt wird bald durch Schotter abgelöst. Dann endlich klebt Salz an unseren Reifen. Salar de Uyuni wir sind da. Noch ein  letztes Zivilisationszeichen bei der «Isla de Banderas» mit dem Salz-Hotel, dann versinken wir endgültig im weissen Nichts. Nur Fahrspuren dienen zur Orientierung. Nach ein paar Stunden, irgendwo da draussen, errichten wir «Little France», eine kleine Zeltstadt. Der Sonnenuntergang ist kitschig wie auf den Bildern der Tour-Agenturen. Die Nacht hell erleuchtet mit einem vollen Mond. Warmes Essen und ein bisschen Rum wärmen uns von Innen auf. 

In der Nacht wird es kalt. Aber von den befürchteten minus 15–25 Grad sind wir glücklicherweise weit entfernt. Also nur halb gefroren brechen wir auf in Richtung «Isla Incahuasi», die Kakteeninsel inmitten der Salar. Die Umgebung bleibt so ziemlich weiss. Oben blau, unten weiss. Einmalig. Irgendeinmal sehen wir die Insel am Horizont. Weit kann es nicht mehr sein! Nach einer Stunde ist die Insel etwas grösser. Nach einer weiteren noch etwas. Unglaublich, wie die Relationen verloren gehen hier draussen. Angekommen, teilen wir die mächtigen Kakteen mit einer Horde gut gelaunter Touristen, die soeben nackt in der Salar gestanden haben oder sich von einem Dinosaurier fressen liesen (beide Bilder sind der Renner auf Instagram; wir habens auch versucht (also uns vom Tiger fressen zu lassen – nicht nackt herumvelöle), sind aber kläglich gescheitert – was wirklich peinlich ist, weil es sonst offenbar jeder hinkriegt). Als es auf der Insel dunkel wird, bleiben nur wir zurück. Wir dürfen im Museum, zusammen mit einer beeindruckenden Kollektion von 5 Bruchstücken alter Töpfe, übernachten. 

Zurück in Uyuni ist nach einer kurzen Pause wieder Streik angesagt. Wieder Geisterstadt-Feeling. Für uns ist es an der Zeit, das Land zu verlassen. Wir haben unsere erlaubten 90 Tage bereits überschritten (und zahlen für jeden Tag eine Strafe). Zum Glück dürfen wir problemlos die verschiedenen Strassensperren durchfahren. Wir pedalieren nochmals durch andine Landschaften, erhöhen kräftig unsere Gesamt-Höhenmeter, zelten in der Natur oder übernachten in Hostals in kleinen Städten. Nichts Neues also …

In Tupiza ist feiern angesagt. Es ist der 16 September. Unser Jahrestag. Mit Bier und … ja, einfach mit Bier. Was für ein Jahr: wir sind 6’500 km mit 65’000 Hm gevelölet. Durch 6 Länder, durch landwirschaftliche, wüstenhafte, gebirgige, tropische, stepische, pampige, salzige, schlammige, baustellenreiche, fiordische oder städtische Gebiete. Vom glattesten Asphalt über den Wanderweg bis zur Flussdurchquerung, alles war unter den Rädern. Und die Velos haben viel erduldet: Ein paar Platten, eine gebrochene Felge, eine gebrochene Sattelstange, kurz später dann noch die Sattelhalterung (Sam findet sich eigentlich nicht zu dick!) und fünf Ständer, die den Geist ab dem Gewicht aufgaben (auch Arianes Velo findet eigentlich nicht es sei zu dick … ). Montiert wurden neue Ketten, leichtere Gänge für Ariane und unzählige Male neue Bremsbeläge. Unsere Kleider wurden meist schon mehrmals genäht (und haben schon wieder überall Löcher). Beim Zelt wurden Risse und Löcher zugeklebt was das Zeug hält, sowie ein neues Fenster eingenäht. Zweimal ist eine Zeltstange gebrochen. Aber: alles hält und funktioniert! Und wir sind gesund und munter! Deshalb: Proscht!

Kurz vor der Grenze in Villazón legen wir unsere Ausrede für den Überzug des Visas bereit (wir wollen ja keine Strafe bezahlen): «El bloqueo, no habia tren para salir del país, tuvimos que pedalear todo, tooodo! Y el viento de frente, de freeente! No pudimos comprar comida». An der Grenze fragen wir, wo wir hingehen müssen. «Por allá», die Antwort des Polizisten. Hierdurch? Also zur Argentinischen Grenze? Keinen Stempel? («Keine 70US$ Busse?» fragen wir natürlich nicht!). Ja gut, danke Bolivien. Danke für die schöne Zeit, die Vielfalt, die Gastfreundschaft und ja, für die paar geschenkten Dollars.

Salar y Salir – Unsere Route:
Uyuni ~ Insel Inca Huasi (Salar de Uyuni) ~ Uyuni ~ Tupiza ~ Villazón/La Quiana (wir haben nur in Tupiza in einem Ort übernachtet, sonst immer in der Natur gezeltet. Diese Orte sind hier nicht ersichtlich, weil keinen Namen)

Details zur Route, 298km:
Salar de Uyuni ist bis zur «Isla Incahuasi» gut zu befahren. Salz ist hart wie Asphalt, wenn auch teils ziemlich uneben. Die Orientierung an den Spuren der Fahrzeuge ist relativ einfach, sofern man die ungefähre Richtung kennt. 
Strasse von Uyuni bis Villazón mit wenigen Ausnahmen (einige Kilometer) asphaltiert. Anfangs noch flach, müssen vor Tupiza ein paar Hügelzüge und vor Villazón ein Pass befahren werden. Starke Winde sind wohl an der Tagesordnung auf dieser Strecke. Relativ wenige Einkaufs- (auch Wasser) und Übernachtungsmöglichkeiten. Zum Zelten findet man aber in den Dörfchen oder in der Wildnis immer einen Platz.