La Paz y el Café

Nach 5 Monaten verlassen wir Chile. Wie gut uns dieses abwechslungsreiche Land mit den gastfreundlichen Leuten gefallen hat, konnte hoffentlich unseren Geschichten und Bilder entnommen werden. Trotzdem: Je näher wir Bolivien kommen, desto mehr freuen wir uns auf einen kulturellen Wechsel, auf farbige Buse, traditionelle Märkte, Dschungel und natürlich auf die Chance, auf einer Kaffeeplantage mitzuwirken. Doch bevor wir all dies spüren dürfen, spüren wir unsere Köpfe. Kaum in La Paz angekommen, brummen sie so richtig. Von 0 auf 3‘700hm (Caldera – La Paz) verkraften wir nicht ohne Weiteres. Es fehlt schlicht und einfach an Sauerstoff. Die ersten Treppen sind kaum zu meistern. Während Tagen begleitet uns leichtes Unwohlsein. Sogar der sonst so treue Begleiter «Appetit» vergeht uns kurzzeitig. Grund genug, diese in steile Hänge gebaute Stadt per «Teleféricos» zu erkunden. Ca. 8 Gondeln verbinden die verschiedenen Stadtteile, welche zwischen ca. 3‘200 und 4‘200 Höhenmeter liegen. In Schweizer-Alpen-Manier fliegen wir zwischen Hochhäuser, unter Brücken, über chaotische Strassen und unzählige Innenhöfe, über Fussballfelder, architektonisch eigenwillige, imposante Bauten (von Architekt Mamani) und endlose Märkte. Während Stunden beobachten wir das Treiben dieser bunten, lebendigen Stadt vom Himmel aus. Und gondelhafte Aussichten geniessen wir auch bei einem kurzen Ausflug in die Umgebung oder von unserer ersten Bleibe aus. Bastian, unser Schwedischer (super) Warmshower Host machts möglich. Danke nochmals für alles!

Mit den Füssen am Boden bleibt die Stadtt faszinierend: von der hippen Bar bis zum «Hexen-Markt» sind es nur ein paar Minuten. Und unterschiedlicher könnte es kaum sein: Dort die modern gekleideten internationalen Touristen in Schwarz mit Cappuccino oder IPA, hier die traditionell gekleideten Marktfrauen in bunten Trachten mit getrockneten Lama-Föten (wir wollen ja ein extremes Beispiel nennen). Alte Bräuche, Religionen und Sprachen scheinen in Bolivien gelebt und gefördert zu werden, wie kaum in einem anderen Land. Apropo Bräuche: wir erleben den jährlichen «El Gran Poder», der grösste Umzug Boliviens. Ausgerüstet mit Trompete, Panflöte und Trommel, in den schönsten bis wildesten Kostümen und Trachten, tanzen tausende verschiedene Verbände den ganzen Tag durch die Strassen. Wir sitzen am Rande, schauen dem Treiben gespannt zu. Und leiden ein bisschen mit. Denn nicht alle Teilnehmenden scheinen vom Hochland zu kommen (oder haben zu viel getrunken).

Weiteres Highlight: Das erste Treffen mit Elias, dem Manager der Cooperativa Bio Arabica. Bevor wir auf deren Plantagen in Caranavi Beeren pfücken werden, dürfen wir die soeben fertiggestellte, kleine Fabrik in „El Alto“ besuchen. Uns wird erklärt, wie der Kaffee gleichmässig getrocknet, gereinigt u sortiert wird (maschinell und manuell), bevor er nach einer Qualitätskontrolle definitiv auf den Weg nach Bern (und hoffentlich in eure Tassen) darf. Und weil an diesem Tag ebenfalls die Einweihung ist, dürfen wir im bolivianischen Staatsfernsehen ein paar Sätzchen zum Grund unseres Besuchs stageln. Bueno…si…somos Ariane y Samuel…

Weil Bastian beruflich weiterzieht, ziehen wir ins Casa de Ciclista um. Unser Zimmer verliert dramatisch an Standard, aber spannende Leute treffen wir auch hier. Wir werden überzeugt, die Rute La Paz – Caranavi mit dem Velo zurückzulegen. Auf dieser Strecke liege die berühmte «Carretera de la Muerte». Dank einer neuen Umfahrtstrasse jetzt eher turistisch als gefährlich. Landschaftlich jedoch traumhaft. Heute können wir schreiben: wir habens versucht. Weil Wahljahr wird protestiert. Auf unserer Strecke mit Strassenblockaden (Coca-Bauern fordern die Legalisierung weiterer Anbaugebiete). Unser Veloeinstieg in Bolivien scheitert daher kläglich nach ein paar Kilometern. Aus Sicherheitsgründen wechseln wir in einen Bus (die Dynamitsprengungen schüchtern uns doch etwas ein). Sobald die Polizei die Strasse freigibt, zweifeln wir an unserer Entscheidung. Passstrasse, Nebel, keine Leitplanke. Egal, es wird gerast und überholt als gäbe es kein Morgen. Doch weit kommen wir auch im Bus nicht. Eine Sperre kommt scheinbar selten alleine. Es steht eine ungemütliche Nacht im Bus, einen Tag wartend am Strassenrand und eine weitere (diesmal erholsame) Nacht in einem Hotel in Coroico bevor. Als wir mit zwei Tagen Verspätung in Caranavi eintreffen, sind wir erleichtert. Die Carretera de la Muerte haben wir zwar verpasst. Dafür sitzen wir nun in einem gemütlichen Hotel mit schönen Innenhof (hier verbringen wir auch das Wochenende zwischen unseren Arbeitsaufenthalten). 

In Caranavi erwartet uns ja bereits ein weiterer Höhepunkt: Mithilfe bei der Kaffeeernte. Die erste Woche verbringen wir in Chijchipani. Bei Jeremias, Nelly, Cruz, dem kleinen Jamer (Papu) und Mari Suri. Die zweite Woche in Calama bei der Familie von Heriberto, Véronica, Claudia und Jésus. Beide Familien empfangen uns unglaublich herzlich, verwöhnen uns mit gutem Essen und erklären uns geduldig die verschiedenen Arbeitsschritte in der Kaffeeproduktion. Und davon gibts nicht wenige! Wir lernen: am Abend nach einem anstrengenden Erntetag müssen die Kaffeebeeren gewaschen, sortiert und geschält werden.  Teils maschinell, teils manuell. Die gewohnenen Bohnen werden in Säcken zum „Schlafen“ gelegt. Während zu später Stunde auch die Familien und ArbeiterInnen schlafen dürfen, fermentieren die Bohnen in den Säcken. Dadurch lässt sich am nächsten Morgen zu früher Stunde (während wir noch die Schäfchen zählen) mit Wasser das restliche Fruchfleisch von der Bohne lösen. Nun kann der Kaffee zum Trocknen an die Sonne. Für die ArbeitetInnen steht ein neuer Erntedurchgang bevor. Heute also mit uns. Motiviert und ausgerüstet mit Kübel und Säcken begeben wir uns auf die Kaffeeplantagen.

Im Schatten grosser Bäume wächst der Kaffee zwischen Mango, Papaya, Avocado, Mandarine, Orange, Bananen und Co. Leider am liebsten in unglaublich steilen Hängen. Wir schwingen wir uns tarzanhaft von Kaffeestrauch zu Kaffeestrauch. Pflücken in Yoga ähnlichen Positionen die reifen und überreifen Beeren. Grüne Beeren, Spinnen, Raupen, Käfer und (ja Ariane) Skorpione sollten an der Pflanze bleiben. Mit vollen Säcken (bei uns eher halbvoll – gerade schnelle Pflücker sind wir nicht) gehts bei Sonnenuntergang zurück zum Haus. Es wiederholt sich der Vortag. 

Nach zwei Wochen können wir sagen: Die Produktion von Kaffee ist harte Arbeit. Insbesondere, wenn sie ökologisch und umweltschonend wie hier bei der Cooperativa Bio Arabica geschieht. Lange Tage, kein oder kaum Wochenende während der Erntezeit, schweres Tragen – alles gehört dazu. Wir sind beeindruckt. Und wir sind beeindruckt von der Leidenschaft, welche die Produzenten der Cooperativa bei der Produktion an den Tag legen. Qualität, Umwelt und Gesundheit haben höchsten Stellenwert. Dank des Exports unter Fairtrade-Bio-Label kann heute ein Teil des Kaffees zu besseren Preisen ins Ausland verkauft werden. Dank dieser Mehr-Einnahmen können die Familien in die Verbesserung ihres Lebensstandards investieren. Dies freut uns sehr zu sehen. Und wir sind umso mehr überzeugt, dass bewusste Kaufentscheidungen in unserer Luxuswelt einen Einfluss auf eine «etwas andere» Welt haben.

Ein ausführlicherer Bericht zur Kaffeeproduktion findet ihr hier auf der Palette Homepage: https://palette-bern.ch/zu-besuch-bei-cooperativa-bio-arabica/ 

La Paz y el Café – Unsere Route:
La Paz > Coroico ~ Caranavi

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