El Norte

Argentinien empfängt uns so freundlich, wie Bolivien uns verabschiedet hat. Ein nettes «Bienvenidos», einen Stempel und «Adios». Direkt ins edelste Hostel seit langen: Eine flache, bequem harte Matratze (ciao morgendliche Gipfeli-Starre), warme und vor Sauberkeit glänzende Duschen, nicht flimmernder Flatscreen TV. Welch Luxus! Ist dies der argentinische Standart? Wir werdens sehen. Vorerst sind wir wieder einfach unterwegs. Heisst mit Zelt hinter einer Polizeistation oder auf dem Dorfplatz. Heisst auf einsamer Strasse bergab gegen den Wind kämpfen. Heisst einmal mehr fluchen über den «Windgott» oder die ständig verkehrte Physik.

Bis Humahuaca. Bis zum nächsten schönen Hostel. Bis zum Massentourismus. Die Felsflanke «Catorce Colores» zieht nicht nur uns an. Zugegeben, der Anblick der Gesteinsschichten in unterschiedlichsten Farben ist faszinierend. Doch wir können uns kaum konzentrieren. Die Selfie-Touristen sind mindestens ebenso spektakulär. (Übrigens: Als Ariane vor 15 Jahren in der Region war, gabs anscheinend nur die «Siete Colores». Die Natur hält beim Spektakel-Tourismus mit!). Ab hier kämpfen wir nicht mehr mit dem Wind, sondern mit rauschenden Verkehr. Er begleitet uns durch das UNESCO-Weltnaturerbe «Quebrada de Humahuaca», durch schöne Dörfer, zu den «Siete Colores» bis nach Jujuy. Wir müssen einmal mehr einsehen: egal wie schön die Landschaft auch sein mag, mit tosendem Verkehr verliert das Velöle seine Gelassenheit. Die Schultern ziehen sich hoch, der Nacken verspannt sich, die Konzentration liegt auf den nächsten 2 Metern graue Strasse.

Ab Jujuy ändert es sich zum Glück wieder. Es warten wunderschöne, verkehrsarme Streckenabschnitte und gemütliche Dörfer/Städte auf uns: die Ruta 9 durch die «Yungas», vorbei an bewaldeten Hügeln und entlang von Seen. Der Frühling macht sich breit. Es beginnt zu blühen, die Temperaturen laden zu gemütlichen Abenden ein (wir müssen nicht mehr bei Sonnenuntergang in den Schlafsack fliehen).

Im kolonialen Salta werden ein paar Espressi auf der Restaurant umzingelten Plaza Central getankt, dann gehts schon weiter auf die Ruta 33. Durch die Cuesta del Obispo. Eine Passstrasse durch wunderschöne, karge Täler. Na ja, ehrlich gesagt, sehen wir nur die Hälfte. Am zweiten Tag des Aufstiegs stecken wir im dichten Nebel. Es ist bitterkalt, regnerisch und windig. Alle warmen Kleider wurden in Salta nach Hause geschickt (Bravo!). Da müssen Socken als Handschuhe dienen. Zudem sind wir zurück auf Schotterpiste. Vorteil: wir müssen nicht sehen, wie weit es noch hoch geht (Konzentration auf der Strasse und eh nur 10m Sicht). Mit ca. 3‘300hm in zwei Tagen wieder einmal ziemlich viel. Dafür ist die kurze Abfahrt durch den «Parque de los Cardones» mit plötzlichem Sonnenschein umso schöner. Velöle ist auch ein Auf und Ab der Gefühle.

Anschliessend auf der Ruta 40 durch kleine Dörfer, entlang von Flüssen und durch das unglaubliche «Valle de las Flechas» nach Cafayate. Unterwegs übernachten wir immer wieder auf den wunderbaren Camping Municipales, die es in Argentinien glücklicherweise in jedem größern Dorf zu geben scheint, ausgestattet mit «Parilla» (einen Grill; unabdinglich in Argentinien) und Tisch je Zeltplatz. In Cafayate gönnen wir uns eine kurze Verschnaufpause mit – wie könnte es in einer Weinregion anders sein – Wein und Käseplättli. Und Sam macht eine kleine Velotour in die eindrückliche «Quebrada de las Conchas»

Gestärkt nehmen wir den nächsten Pass in Angriff. Über die Ruta 307 nach «Tafí del Valle» bis hinunter nach Famaillá. Von wüstenhaften Anden in Schweizer November-Stimmung (in Tafí), durch ein grünes Tal zurück in die sommerliche Wärme. 3‘500hm Abstieg am Stück. Durch komplett unterschiedliche Landschaften. Es ist unglaublich!

Eigentlich war unser neuster Plan bis nach Cordobá zu fahren. Doch die Wetterprognose mit viel Wolken und immer wieder Regen und die vielbefahrenen Strassen lassen uns nicht lange zögern. Zurück zum alten Plan. Von Tucumán mit Bus in den komplett anderen Norden von Argentinien. Ins tropische Misiones.

El Norte – Unsere Route:
La Quiaca ~ Puesto del Marquez ~ Tres Cruzes ~ Humahuaca ~ Maimara ~ Volcan ~ San Salvador de Jujuy ~ La Caldera ~ Salta ~ Camping Cielo Verde ~ Camping El Maray ~ Payogasta ~ Cachi ~ Molinos ~ Angastaco ~ San Carlos ~ Cafayate ~ Amaicha del Valle ~ Tafí del Valle ~ Famaillá ~ San Miguel de Tucuman

Details zur Route, 939 km:
– Strecke: grösstenteils asphaltiert. Aufstieg bei der Cuesta del Obispo von ca. Maray bis Piedra del Molino Schotterpiste (ca. 20km). Zwischen Cachi und San Carlos ebenfalls (teils sehr sandig). 
– Schlaf- und Einkaufsmöglichkeiten: Von La Quiaca bis Humahuaca nur wenige Schlaf- und Einkaufsmöglichkeiten (zum Zelten in den Dörfer einfach auf der Polizeistation fragen. Sie zeigen einem eine Stelle mit öffentlichen Toiletten und Trinkwasser). Zwischen Maray und Payogasta ebenfalls keine Einkaufsmöglichkeit. 
– Verkehr: Zwischen Humahuaca und Jujuy viel Verkehr. Vor Tucuman auf Ruta 301 viel Verkehr. 

Sehr schöne Abschnitte: 
– Ruta 9 zwischen Jujuy und Salta
– Cuesta del Obispo (Ruta 33)
– Valle de las Flechas (zwischen Angastaco und San Carlos auf der Ruta 40)
– Abfahrt von Passhöhe bis nach Tafí del Valle und weiter bis Famailla (Ruta 307)