Carretera Austral – El Ripio

Chile beginnt mit einem Schild. Wo wir nach 4h nass-kalter Velowanderung einen wärmenden Grenzposten erhofft haben, steht nur „Bienvenidos a Chile“. Muuuuy bien. Also warm anziehen, heute zMittag im Regen. Aber immerhin, es gibt wieder eine Schotterstrasse. Und die endet nach 15km bei einem gut geheizten Grenzhäuschen und einem freundlichen Grenzwärter: Bienvenidos a Chile! Ahora sí, bienvenidos! Wer von hier weiter nach Villa O‘Higgins will, wartet im nahegelegenen, sehr einfachen Camping auf eine kleine Fähre. Und die fährt, wenn das Wetter gut ist … also vielleicht morgen. Nein, morgen nicht. Aber vielleicht morgen. Geduldig feuern die Gestrandeten den Holzofen in der alten Scheune ein. Oder den Heizkessel bei der Dusche. Volles Feuer, die Schneefallgrenze liegt knapp über uns. Doch wir können uns glücklich schätzen. Einerseits machen wir gute Bekanntschaften und andererseits, mit nur einem Tag Verspätung (viele warten länger), erscheint die Fähre am Horizont. Que suerte! Zumindest bis 50m auf See. Denn beeindruckende Wellen verursachen beeindruckendes Unwohlsein (scheinbar nur bei Sam. Der Rest schläft oder liest, increíble). Für Sam gibt es nur noch eines. Den Horizont. Während die Fähre rauf und runter donnert, bleibt dieser netterweise stabil. 

Und schliesslich liegt sie vor uns. Die Carretera Austral. Eine rund 1‘300km lange Nord-Süd-Verbindung (Süd-Chile), welche sich durch Täler, Fiorde und über Gebirge schlängelt. Die nördliche Hälfte wurde mittlerweile aspahltiert. Im Süden bleibt vorläufig die erst 1998 fertiggestellte Schotterstrasse (spanisch: ripio, deshalb der Titel für die erste Hälfte). Vollgepackt mit Proviant holpern wir durch Kalt-Regenwälder, vorbei an wilden Flüssen und Wasserfällen, entlang von Seen und Gletschern. Überraschenderweise auch durch trockene Hügelzüge. Ab und zu taucht ein Hof oder ein Dorf auf. Die erste Woche im Dauerregen mit ca. 5 Grad (da braucht man zwischendurch ein bisschen Heimat, sprich improvisiertes Raclette), plötzlich 4 Tage Hitzeperiode mit ca. 33 Grad. Anschliessend wechselhaft, teils gefühlt alle Jahreszeiten an einem Tag. 

Konstant bleibt vor allem das Rauf-und-Runter. Manchmal mit Steigungen, die bei uns wohl gesetzlich verboten sind. Und konstant bleiben auch die wahnsinnigen Wild-Camping-Plätze. Wenn immer möglich (sprich, wenn wir nicht komplett durchnässt sind oder Proviantmangel haben) nutzen wir diese einsamen und ruhigen Stellen. Nebst Campingplätzen und verlassenen Orten gibt es auf der Carretera Austral für uns eine Neuheit: Refugios. Kleine Holzhäuschen, oft mit Bänken und einem „Cheminée“, teils mit WC-Häuschen. Sie bieten Schutz vor Kälte, Wind oder Regen und sind frei zugänglich. Besonders schön ist es, wenn man frierend ankommt und ein paar Schnelle schon Feuer entfacht haben.

Nach ca. 500km, kurz vor Coyhaique, verlassen wir die Buckelpiste, sprich den Ripio (oft auch gut befahrbar). So richtig traurig sind wir nicht, auch wenn man sich mit Aspahlt gefühlsmässig mehr in der Zivilisation bewegt. Unsere Lungen werden den Ripio eh noch etwas mittragen. Und wenn man meint, man verlässt die Natur, dann erscheint am Fluss noch ein Huemul (eine stark bedrohte Hirschart). Que lindo!

Carretera Austral I (El Ripio) – Unsere Route:
El Chalten ~ Lago del Desierto ~ Candelario Mancilla ~ Villa O Higgins ~ Puerto Yungay ~ Tortel ~ Cochrane ~ Puerto Bertrand ~ Puerto Rio Tranquilo ~ Cerro Castillo ~ El Blanco ~ Coyhaique

Route El Chalten bis Villa O Higgins (60km):
Von El Chalten aus sinds 36km bis zum Lago del Desierto auf Schotterpiste, danach gehts mit dem Schiff (2mal täglich) über den Lago del Desierto. Nach dem See musste das Fahrrad während ca. 5 bis 6 km geschoben und teilweise getragen werden (je nach Fahrrad auch teilweise befahrbar). Nach der chilenischen Grenze sinds noch 14 km Schotterpiste (befahrbar, Abstieg) bis Candelario Mancilla (hier gibt es nichts, nur ein ganz einfacher Camping Platz). Kurz vorher ist der chilenische Grenzposten. In Candelario Mancilla führt dann ein Schiff (mehrmals wöchentlich, in El Chalten buchen) über den See Richtung Villa O Higgins. Danach noch 10 km bis zum Dorf.

Route Villa O Higgins bis Coyhaique (617 km):
Die erste Hälfte der Carretera Austral ist eine Naturstrasse. Der Zustand variiert sehr. Viele Abschnitte sind in gutem Zustand. Jedoch auch längere Teile mit Wellblech oder relativ losem Schutt. Man kommt nur langsam vorwärts. Trotzdem: die Strasse ist durchgehend befahrbar (es empfiehlt sich, breitere Reifen und gutes Profil zu montieren). Teilweise enorm steile Anstiege. Kleine Gänge sind von Vorteil. Der asphaltierte Teil wird jährlich ausgebaut. Gratis Fährbetrieb von Rio Bravo nach Puerto Yungay, mehrmals täglich.

Die Strasse nach Caleta Tortel zweigt nach den ersten 100km von der Carretera Austral ab (ca. 23km hin und zurück). Diese Strasse ist in extrem schlechten Zustand, es empfiehlt sich zumindest den Hin- oder den Rückweg mit Bus oder per Autostopp zu machen.

Der Beginn der Carretera Austral ist relativ unbewohnt. Wasser ist dank Flüssen überall zu finden. Die Verfügbarkeit von Lebensmittel sollte abgeklärt werden. Je weiter nördlich man gelangt, desto mehr Dörfer sind anzutreffen. Campingstellen und -plätze überall zu finden (siehe App iOverlander). 

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